Finnlands Förderung aktiven Alters

Quelle: Herausgeber: Gremium zur Förderung Finnlands Redaktion: Ministerium für auswärtige Angelegenheiten Finnlands, Abteilung für Kommunikation, 1995 – 2020

Auf allen möglichen sozialen und kulturellen Veranstaltungen oder auch in freier Natur, wo sie häufig auf Fahrrädern oder Skis an einem vorbeisausen, ist augenfällig, wie viele aktive ältere Menschen man in Finnland sieht. Der Anteil der über 60-Jährigen an der finnischen Bevölkerung beträgt bereits 27 Prozent, und ihre Zahl steigt sprunghaft, denn die Nachkriegsbabyboom-Generation erreicht derzeit das Rentenalter. Die finnischen Behörden sind sich bewusst, dass die zukünftigen Kosten für die Versorgung der wachsenden älteren Bevölkerung eine große Herausforderung darstellen. Senioren, körperlich aktiv und sozial engagiert zu halten, könnte jedoch zu einer Lösung beitragen.

„Hier in Finnland schreitet die Bevölkerungsalterung rascher voran als irgendwo sonst auf der Welt, mit Ausnahme von Japan“, erläutert Eeva Päivärinta. Die Expertin in Sachen Sozial- und Gesundheitsdienste arbeitet beim finnischen Fonds für Forschung und Entwicklung SITRA, wo kürzlich ein Zwei-Jahres-Programm abgeschlossen wurde, das sich mit den notwendigen Dienstleistungen für Senioren befasste. „Von 2030 an wird es das Leistungsvermögen unserer Wirtschaft übersteigen, Seniorenheime mit kompletter Versorgung bereitzustellen, wie sie unserem traditionellen Altenpflege-Modell entsprechen. Wir müssen also dringend Wege finden, eine effektive Gesundheitsversorgung online und zu Hause sowie andere Dienstleistungen für ältere, daheim lebende Menschen anzubieten.“ Gartenarbeit, ob auf der Fensterbank, auf dem Balkon oder im Hof, ist ein Hobby, das Geist und Körper aktiv hält. Foto: GR

Die durchschnittliche Lebenserwartung für 60-Jährige in Finnland beträgt derzeit 84 Jahre. Dies werde allerdings nur zur Realität, wenn die Menschen ihren letzten Lebensabschnitt in guter Lebensqualität verbringen können. „Dabei ist es höchst wichtig zuzuhören, was die älteren Menschen selbst wollen. Unsere Forschung belegt, dass die Senioren es ungemein schätzen würden, zusätzlich zu einem Sicherheitsnetz von Pflegeplätzen für die Hilfsbedürftigsten Unterstützung zu erhalten, die ihnen ein so lang wie mögliches Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen würde.“

Dienstleistungsnetzwerke für zu Hause lebende Senioren

 „Senioren sind häufig auch in Finnlands zahlreichen örtlichen Bürger- und Rentnervereinigungen aktiv, vergnügen sich auf gesellschaftlichen Veranstaltungen und Ausflügen sowie engagieren sich zunehmend für freiwillige Initiativen, in deren Rahmen sie sich treffen können und etwa anderen Rentnern oder Schulkinder helfen“, fügt sie hinzu. Cohousing-Projekt „Kotisatama“ in Helsinkis Stadtteil Kalasatama ist kein normales Seniorenheim, sondern ein neuartiges Wohnprojekt mit  Selfservice. Die Bewohner schauen sich auf der Webseite der Hausgemeinschaft den Turnusplan für die Hausarbeit sowie bevorstehende Veranstaltungen an. Kommunal subventionierte, allen älteren Ortsansässigen offenstehende Seniorenzentren bieten ein Netzwerk von Begegnungsstätten und Einrichtungen in den finnischen Dörfern, Kleinstädten und Vororten. Einige dieser Komplexe umfassen auch normale Wohnungen mit kompletter Betreuung für ältere Menschen.

Innovatives Cohousing mit Selfservice. Der finnische Wohnungsmarkt muss sich ebenfalls an die Alterung der Bevölkerung anzupassen und seniorenfreundliche Wohnungen zur Verfügung stellen, die auch die sozialen Bedürfnisse seiner in Ruhestand lebenden Bewohner erfüllen. Cohousing-Projekte, bei denen Wohnungsbesitzer sich Gemeinschaftseinrichtungen teilen und in gemeinsamen Räumlichkeiten zusammenkommen können, sind für viele Senioren eine attraktive Alternative. 2015 eröffnete die Vereinigung „Aktiiviset Seniorit“ (übers. Aktive Senioren) in Helsinkis schnell wachsendem Stadtteil Kalasatama sein zweites Cohousing- Projekt namens Kotisatama (übers. Heimathafen). „Kotisatama ist kein normales Seniorenheim, sondern ein neuartiges Selfservice-Wohnprojekt“, meint Anwohnerin Marjut Helminen. „Wir Bewohner kümmern uns nicht nur um unsere eigenen Wohnungen, sondern bilden auch Hausarbeitsgruppen, die abwechselnd sauber machen und die Mahlzeiten kochen, die wir jeden Abend zusammen genießen können, falls wir das wollen. Dieser Lebensstil gefällt Menschen, die die Kontrolle über ihr eigenes Leben behalten wollen, denen aber auch der Sinn nach Gemeinschaft und nach gemeinsam mit den Nachbarn organisierten Aktivitäten steht.“

Wandern ist für Senioren eine bevorzugte Freizeitbeschäftigung

Planung für einen aktiven Ruhestand. Neben 63 gemütlichen Wohnungen nennt das total rollstuhlgerechte Kotisatama-Gebäude auch gut ausgestattete Gemeinschaftseinrichtungen sein Eigen, darunter eine Werkstatt für Basteln, Handarbeiten und Heimwerken, einen kleinen Fitnessraum, eine Bibliothek und ein Spielzimmer, ein Waschraum, ein Boccia-Platz, einen Dachgarten und zwei Saunen. In der Eingangshalle neben Kotisatamas geräumigem Gemeinschaftsspeiseraum und der Gemeinschaftsküche hängt ein elektronisches Schwarzes Brett, das Nachrichten über etwaige Aktivitäten, Veranstaltungen und Hausarbeitsschichten anzeigt. „Alle schöpfen die Möglichkeiten dieser Einrichtungen aus. Wir haben zahlreiche Gruppen für Leute, die gemeinsame Interessen teilen, angefangen von Gesang, Kino und Literatur bis zu IT-Kursen, Kartenspiel, Schach, Kegeln und Pilates“, sagt Helminen, die bestimmt selbst eine aktive Seniorin ist, eine eifrige Kanutin und gerade auch ihren ersten Roman veröffentlicht hat. Über die Vereinigung „Aktiiviset Seniorit“ haben die Bewohner, die ein Durchschnittsalter von 67 haben, mit einer Altersspanne zwischen 54 und 80 Jahren, alles im Kotisatama-Gebäude selbst minutiös im Voraus geplant. „Aktiiviset Seniorit hat bereits begonnen, sein drittes Cohousing-Projekt in Angriff zu nehmen. Es herrscht eine Menge Interesse seitens der zukünftigen Bewohner“, sagt Helminen. „Es wäre auf jeden Fall ein Bedarf für viel mehr Cohousing-Projekte wie unseres vorhanden, auch für Mietwohnungen.“ „Es war wunderbar, in eine fertige Gemeinschaft von Nachbarn wie in eine große Familie einzuziehen, wo man, wenn man will, allein sein kann, aber auch immer Menschen um sich hat, mit denen man zusammen sein kann“, sagt eine Bewohnerin. „Ich möchte nicht das Gefühl haben, in Zukunft meinen Kindern zur Last zu fallen. Sie freuen sich sehr für mich, dass ich solches Zuhause gefunden habe.“

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